Brauchen wir Männer im
Kindergarten?Ein Artikel von Dr. Margarete Blank-Mathieu
Natürlich brauchen wir Männer im Kindergarten wird die
erste Antwort darauf lauten. Aber wenn es dann konkret wird und in unser
Team ein Mann aufgenommen werden soll, so kann es sein, dass wir das
gar nicht mehr so ganz aus vollem Herzen sagen können.
Kindergärten sind frauendominiert
Viele jungen Frauen haben diesen Beruf gerade deshalb gewählt, weil sie
es sich gut vorstellen können mit Kindern zu arbeiten. Dass sie dort als
Kolleginnen meist Frauen vorfinden finden sie ebenfalls gut. Frauen
können sich leichter verständigen, wenn sie unter sich sind. Sie
sprechen eine ähnliche Sprache, verstehen die Gesten und nonverbalen
Verhaltensweisen von Frauen besser als von Männern.
So ist die Arbeit im Team meist reibungsarm und wenn dies einmal nicht
der Fall sein sollte, so arbeitet eben jede Erzieherin in ihrer Gruppe
alleine.
Bei Fortbildungen von Erzieherinnen habe ich immer wieder gehört, dass
sie Männer nicht ständig um sich haben wollen. Ab und zu darf ja recht
gerne mal ein Vater oder Großvater mithelfen, wenn es darum geht eine
handwerkliche Arbeit durchzuführen oder sich um das Wirrwarr des
Computerinnenlebens zu kümmern.
Männer stören im Kindergarten
Das geht so weit, dass manche Erzieherinnen es als störend empfinden,
wenn ein Mann als Erzieher auftaucht. Entweder treten plötzlich die
Kolleginnen zueinander in Konkurrenz und versuchen, diesen einzigen Mann
für sich zu gewinnen- dies manchmal ganz dem Wortsinn nach. Häufig
kommt es aber auch vor, dass dieser Mann ausgegrenzt und voller
Misstrauen beobachtet wird. Ist er nicht zu grob zu den Kindern oder
kann er die Gefahren wirklich richtig einschätzen? Warum geht es in
seiner Gruppe häufig so laut zu?
Es gibt immer wieder Einrichtungen, in denen ein Erzieher nur
vorübergehend bleiben kann. Die Kolleginnen ekeln ihn hinaus oder er
geht von selbst wieder.
Männer übernehmen häufig Leitungspositionen
Ein weiteres Phänomen ist, dass Männer häufig die Leitung der
Einrichtung übernehmen. Damit kommen die Frauen leichter zurecht und
sind oft auch froh, die lästigen Verwaltungsarbeiten abgenommen zu
wissen und jemanden zu haben, der die Einrichtung nach außen vertritt.
Vor allem in größeren Tageseinrichtungen beobachtet man dies häufig. Das
hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Erzieherinnen oft neben dem
Beruf noch Familie haben und froh sind, wenn sie nach der Arbeit nach
Hause gehen können. Aber auch unabhängige und kompetente Frauen haben
gerne einen Mann neben sich, der ihnen vieles abnimmt, sich um Dinge
kümmert, die sie nicht so gut beherrschen und der sie in ihrem
Selbstwertgefühl unterstützt. Wenn ein Mann einer Frau sagt oder zeigt,
dass er sie als kompetent einschätzt, so gilt das auch heute noch häufig
mehr als wenn ein Lob von einer Kollegin ausgesprochen wird.
Männer bringen Unruhe in die Jungengruppe
Jungen benehmen sich meist unproblematisch, so lange kein Mann in der
Einrichtung auftaucht. Geschieht dies aber einmal, so flippen fast alle
Jungen aus. Ich habe erlebt, dass ein Mann lediglich über das
Freigelände einer Kindertagesstätte lief und die Jungengruppe, die bis
dahin ruhig vor sich hinspielte plötzlich alles liegen und stehen ließ
und diesem Mann nachlief. Jeder Junge- es handelte sich hier um
5-6jährige Kinder- versuchte bei diesem Mann Eindruck zu schinden, indem
die Kinder abwechselnd die schlimmsten Schimpfwörter aus ihrem
Sprachschatz zum besten gaben.
Aber auch, wenn dies nicht in solch heftiger Weise geschieht kann man
sicher sein, dass die Jungen sich um einen zufällig anwesenden Mann
scharen und ihn mit allerlei Fragen und Wünschen bestürmen.
Jungen messen ihren Wert als Junge an den Reaktionen von Männern- nicht
von Frauen. Das kann für Erzieherinnen unverständlich oder problematisch
sein.
Männer sind für Jungen und Mädchen in Kindertageseinrichtungen
wichtig
Männer sind wichtig, dass Jungen eine Jungenidentität gewinnen und diese
nicht über die Gleichaltrigengruppe und "Übermännergestalten" aus dem
Fernsehen oder anderen Medien bekommen müssen. Dafür ist ein einziger
Mann zu wenig. Viele Jungen erleben in ihrem Alltag einen Vater selten
oder gar nicht. Männer haben im Leben von vielen Jungen noch immer
Seltenheitswert. Der Vater ist seltener zu Hause als die Mutter, und
wenn er da ist hat er viele andere Aufgaben und kann sich nur sporadisch
mit seinem Jungen oder Mädchen beschäftigen. Dass die Aktionen mit dem
Vater deshalb besonders wichtig und spannend erscheinen ist für die
Frauen, die eben die Alltagsgeschäfte erledigen müssen und deshalb keine
so spannenden Abenteuer mit ihren Kindern erleben können manchmal
schwer zu verstehen.
So ist es kein Wunder, dass ein Mann auch im Kindergarten höchste
Aufmerksamkeit genießt. Für die Mädchen ist ein Mann wichtig, weil sie
sich damit von den Frauen abgrenzen können, um ihre eigene Identität und
ihren eigenen Wert zu finden. Viele Mädchen proben, wie sie auf einen
Mann wirken. Sie kokettieren mit ihren "Reizen" und versuchen Männer auf
eine andere Art und Weise wie Jungen auf sich aufmerksam zu machen.
Wir brauchen Männer in den Tageseinrichtungen. Männer, die ganz normale
Durchschnittsmänner sind. Männer, die von den Frauen anerkannt werden
und diese ebenfalls anerkennen. Männer, die alle Arbeiten gleichwertig
übernehmen, die den Frauen aber auch zumuten und zutrauen,
Leitungsaufgaben und handwerkliche, bzw. verwaltungsmäßige Aufgaben
ebenso gut zu erledigen wie sie selbst.
Wo anders als in den Tageseinrichtungen könnten Kinder erleben, dass
Jungen und Mädchen unterschiedlich sind, dass Männer und Frauen anders
mit ihnen umgehen und dass doch alle gleichwertig miteinander leben
können.
Dr. Margarete Blank-Mathieu
BlankMathieu@aol.com
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